Irina Liebmann

Was singt der Mond?

(veröffentlicht in: Irina Liebmann „Quatschfresser“, Theaterstücke, Frankfurter Verlagsanstalt 1990)

Textprobe:

Klagenfurt, Kafeehaustische in der Nacht, an einem davon sitzt eine Frau. Aus dem Dunkel kommen zwei Masken in weiten Gewändern. Vollmond am Himmel.


Westmaske: So trifft man sich in Klagenfurt. Gib einen Ton.
Ostmaske: Ich hab dich schon erkannt.
Westmaske: Weiter!
Ostmaske: Ich weiß, wer vor mir steht.
Westmaske: Noch einen Satz, ein Wort!
Ostmaske: Warum nicht eine Hand?
Ist das hier noch derselbe weiche Bauch wie letzte Nacht?
Westmaske: Wer weiß. Wie wärs mit einem Kuß?
Ostmaske: Sieh da, der Mond, er hat sich grad bewegt!
Westmaske: Dein Kittel ist so weit.
Mann oder Frau? Darf man darunterfassen?
Ostmaske:
(Immer noch den Mond anstarrend) Du denkst, er singt?
Und schon schleicht er sich weg. Er mag uns nicht.
Westmaske: Er hat zu tun. Jetzt grapscht er sich die Frau. Die gehört mir!
Ostmaske: Daß ich nicht lache. Bei mir ist sie geboren. Ich hab sie groß und fett gemacht. Und einen Tritt hat sie gekriegt zum Schluß.
Westmaske: Wohl mehr als einen. Jetzt gehört sie mir.
Ostmaske: Was zu beweisen wär. Jetzt faßt er ihr ans Knie.
Das kenn ich.
Westmaske: Ich kenn deins nicht in dieser Nacht. Mann oder Frau?
Ostmaske: Sieh mal den Mond!
Er legt den Kopf in ihren Schoß und singt.
Westmaske: Es singt das Weib, weil es allein ist, so wie du in deinem schönen Kleid.
Kläre:
(Mondlicht im Schoß, singt)
Das schönste Blümlein auf der Alm, das ist das ....

Was singt der Mond?
 
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